Zug der Erinnerung steht auf Gleis 1

Der Zug der Erinnerung steht am Donnerstag in Wolfsburg. Hunderte Schüler schauten sich am Vormittag die Ausstellung über Kinder-Deportationen an.

Zwei Tage, bevor rechtsextreme Demonstranten durch Wolfsburg ziehen wollen, hielt am Donnerstagmorgen der Zug der Erinnerung auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs. Noch bis 20 Uhr können sich Schüler und Erwachsene die Ausstellung in den alten Waggons anschauen, die anhand einzelner Schicksale den Weg Tausender jüdischer Kinder und Jugendlicher aus dem SS-Lager Westerbork in den Niederlanden ins Vernichtungslager Sobibór nachzeichnet.

Schon beim Eintreten werden die Schüler am Morgen sehr still. Nur das unerbittliche Rumpeln eines Zuges über Bahngleise füllt den Raum. Stumm oder flüsternd stehen die Jugendlichen vor Fotos, auf denen deportierte Kinder und Jugendliche noch unbeschwert Boot fahren, für Klassenfotos posieren oder – nur einen Tag vor ihrer Reise in den Tod – unsicher in die Kamera lächeln.

Die jungen Besucher sehen eine Filmszene, in der bewaffnete Männer einen Zug bewachen. Und sie lesen Texte von Augenzeugen wie Abel Herzberg, einem der wenigen Überlebenden, der schrieb: „Westerbork ist ein anderes Wort für den Tag des Jüngsten Gerichtes. Es gibt keine Hilfe mehr… Frauen verlieren die Hoffnung, ihre Kinder zu retten, Kinder müssen hilflos für alle Zeit von Vater und Mutter Abschied nehmen… Und alle, alle werden sie jeden Dienstag, Woche für Woche in einen Güterzug geladen mit dem Ziel Polen.“ Im Juni 1943 wurden 1269 Jungen und Mädchen nach Sobibór deportiert. Wenige Stunden nach ihrer Ankunft waren sie alle tot.

Der Zug der Erinnerung ist eine kleine Ausstellung, die auf viele Besucher eine große Wirkung hat. „Ich habe im Zug geweint. Das hat mich sehr berührt. Ich habe selbst ein Kind“, sagt die 31-jährige Aleksandra Trimborn aus der Anna-Maria-Tausch-Schule und fügt hinzu: „Ich finde es sehr wichtig, dass der Verein so etwas macht. Man darf das niemals vergessen. Deutschland ist so ein multikulturelles Land – wir müssen uns alle verstehen.“

Schüler der Oskar-Kämmer-Schule schreiben ins Gästebuch: „So etwas darf sich nie wiederholen.“ Achtklässlerinnen der Heinrich-Nordhoff-Straße hinterlassen diesen Satz: „Es hat uns erschüttert zu sehen, was damals die Menschen durchmachen mussten.“

Wolfsburger Nachrichten, 30. Mai 2013
http://www.wolfsburger-nachrichten.de/lokales/Wolfsburg/zug-der-erinnerung-steht-auf-gleis-1-id1023579.html