Wolfsburg: PolizeiStaatsNaziaufmarsch

Am gestrigen Samstag konnten rund 570 Neonazis einen knapp zweistündigen Aufmarsch durch ein Gewerbegebiet in Wolfsburg durchführen. Ein Großaufgebot der Polizei setzte diese rassistische Veranstaltung – zum Teil mit erheblicher Gewalt – durch. Mehrere hundert Antifaschist_innen versuchten immer wieder auf die Route zu gelangen und die Nazis zu blockieren. Rund 6000 Menschen protestierten mit unterschiedlichen Aktionen und auf verschiedenen Veranstaltungen gegen die Nazis.

Auch wenn die Teilnehmer_innenzahlen zum Teil enttäuschend waren und zur Veranstaltung des Wolfsburger „Schulterschluss der Demokraten“ nur 5000-6000 Menschen – statt der erwarteten 10000 – kamen, so kann das antifaschistische Bündnis „Keine Zukunft für Nazis!“ dennoch ein positives Fazit ziehen. Auch wenn der Naziaufmarsch nicht blockiert werden konnte, so ließen sich die Menschen nicht vom Polizeiaufmarsch aufhalten und einschüchtern. Mehrere Hundert Menschen gelangten in die unmittelbare Nähe der Nazis und konnten rund um die hermetisch abgeriegelte Naziroute ihren Protest artikulieren. Die Entschlossenheit und der Wille zum legitimen blockieren der Nazis waren beeindruckend! Erfreulich war auch, dass sich auch viele Besucher_innen des „Fest für Demokratie und Toleranz“ und Gewerkschaftsjugendliche daran beteiligten. Für die Ausdauer, Kraft und das solidarische Verhalten untereinander bedankt sich das antifaschistische Bündnis „Keine Zukunft für Nazis!“ bei allen Beteiligten.

Schon in den frühen Morgenstunden wurde deutlich, dass die Polizei den Naziaufmarsch unter allen Umständen durchsetzen wird. Über 3000 Polizeibeamte riegelten die Wegstrecke der Nazis ab. Zum Teil wurden Hamburger Gitter in Dreierreihe aufgestellt. Polizeihundertschaften standen dicht gedrängt an der Route und überall waren Wasserwerfer und schweres Gerät postiert. Ein Durchkommen war nicht mehr möglich. Selbst Anlieger des Gewerbegebiets wurden abgewiesen. Rings um Wolfsburg wurden Kontrollstellen der Polizei eingerichtet. Im gesamten Stadtgebiet patrouillierten Polizeieinheiten und entlang der Bahnlinie Hannover – Magdeburg wurden sämtliche Bahnhöfe von der Bundespolizei überwacht.

Stunden bevor der erste Nazi zur Kundgebung am Bahnhof erschien, wurden Menschen aus der Umgebung der Naziroute vertrieben. Massenhaft wurden dort Platzverweise erteilt und mehrere Menschen erhielten »Aufenthaltsverbote« für das gesamte Stadtgebiet.
Auch rund um die Kundgebung des »Schulterschluss der Demokraten« wurden die Menschen von der Polizei kontrolliert. 3 Busse mit Antifaschist_innen wurden vor Wolfsburg gestoppt und über drei Stunden durchsucht und aufgehalten.

Als die ersten Nazis in Wolfsburg eintrafen, formierte sich der erste Blockadefinger. Rund 300 Menschen zogen lautstark in Richtung der Naziroute. Davon war die Polizei zunächst sichtlich überrascht und konnte diese Gruppe nicht aufhalten. In der Rothenfelder Str. gelang es der Polizei dann einen Teil der Menschen aufzuhalten. Mittels zweier BFE-Einheiten aus Oldenburg und Braunschweig wurden rund 100 Menschen eingekesselt. Die anderen Blockierer_innen konnten ihren Weg fortsetzen und gelangten dann ins Gebiet der Naziroute, wo sich schon mehrere Kleingruppen aufhielten.
Am Rande des Kessels wurde zwei Menschen von der Polizei mitgeteilt, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, da sie mittels eines Megafons die Menschen zum blockieren des Naziaufmarsches aufgefordert hätten. Da sie angeblich eine »Führungsverantwortlichkeit« hätten, erhielten sie einen Platzverweis und ein mehrstündiges Aufenthaltsverbot für Wolfsburg. Sie wurden dann mit Polizeibegleitung zu ihren PKW geführt.

Rund eine Stunde später stürmte eine weitere Blockadegruppe in Richtung der Nazis. Die 300 Menschen ließen sich von der Polizei nicht aufhalten und konnten mehrmals Polizeisperren umlaufen.
Trotz aller Versuche – wobei mehrmals auch Pfefferspray – eingesetzt wurde, gelang es der Polizei nicht, die Umgebung der Naziroute zu beherrschen. Nur Mittels erheblicher Gewalt, diverser Kessel und dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray konnte die Polizei die Naziroute schützen. Hier gab es mehrere Verletzte und mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen.
Auch nachdem die Nazis Wolfsburg schon verlassen hatten, setzte die Polizei ihre Übergriffe fort und versuchte noch Menschen festzunehmen. Die Polizei hat sich mal wieder als Helfershelfer der Nazis erwiesen, auf den sich die Organisatoren des rassistischen »Tag der deutschen Zukunft« verlassen konnten. Nur mittels solcher Polizeimaßnahmen können Naziaufmärsche überhaupt durchgeführt werden.
Verantwortung dafür und die zum Teil brutalen Übergriffe der Polizei trägt die rot-grüne Landesregierung. Für diese war der Tag ein Lackmustest, um ihre Glaubhaftigkeit auf die Probe stellen. Laut eigener Koalitionsvereinbarung tritt sie für »Antifaschismus auf allen Ebenen« ein. Wie ernst sie diese Aussage nimmt, konnte mensch gestern am Umgang mit dem ersten großen Naziaufmarsch nach der Landtagswahl und dem polizeilichen Umgang mit den Gegendemonstrant_innen sehen. In Noskemanier ließ Innenmister Boris Pistorius (SPD) die Knüppel schwingen und führte die harte Linie des ehemaligen Innenmister Uwe Schünemann (CDU) fort. Mensch darf gespannt sein, wie die Landesregierung ihren »Antifaschismus auf allen Ebenen« fortsetzt. Am 3. August findet der nächste Naziaufmarsch in Niedersachsen statt. Den Blockadeaufruf gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf haben auch mehrere Landtagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen unterzeichnet. Angesichts des Polizeieinsatzes gestern in Wolfsburg, muss mensch davon ausgehen, das Boris Pistorius dann seine Kolleg_innen in Bad Nenndorf verprügeln lässt.

Erfreulich am gestrigen Tag war, dass die Teilnehmer_innenzahl des Naziaufmarsches weiterhin rückläufig ist. Nachdem es im letztes Jahr in Hamburg noch rund 650 Nazis waren, kamen in Wolfsburg keine 600 zusammen.
Die Nazis haben nun angekündigt, den nächsten »Tag der deutschen Zukunft« am 7. Juni 2014 in Dresden durchzuführen. War die Nazikampagne anfangs als »norddeutsche« Kampagne gedacht, weichen die Nazis nun nach Sachsen aus. Dies ist auch eine Folge der antifaschistischen Proteste
gegen die Naziaufmärsche in Pinneberg (2009), Hildesheim (2010), Braunschweig/Peine (2012), Hamburg (2012) und in diesem Jahr in Wolfsburg. Zum anderen zeigt sich daran auch der Zustand der Naziszene in Norddeutschland, die von Auflösungserscheinungen, Wahlschlappen, Konkurrenzen und Streitigkeiten geprägt ist. Dieter Riefling, Christian Worch und Thomas Wullf erhoffen sich in Sachsen mehr Unterstützung und Rückhalt. Außerdem wollen sie in Sachsen in Konkurrenz zur NPD und deren angebliche »seriöse Radikalität« treten und den NPD-kritischen Teilen der »Freien Kameradschaften« dort einen eigenständigen Ausdruck verleihen. Die NPD wird sich über die nun fortsetzenden Intrigen und Spaltungstendenzen durch Riefling, Worch und Wulff wenig erfreut zeigen.

Das antifaschistische Bündnis »Keine Zukunft für Nazis!« ruft heute schon dazu auf, am 7. Juni 2014 nach Dresden zu kommen und den Naziaufmarsch dort zu verhindern. Wie das geht, wurde dort in den letzten Jahr eindrucksvoll gezeigt. Ob »Trauermarsch« im Februar oder jetzt rassistischer »Tag der deutschen Zukunft«, sie werden nicht durchkommen. Kommt nach vorne!