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Mit Schlagstöcken und Fäusten

Wolfsburg: Nazigegner kritisieren massive Polizeigewalt bei Demo gegen rechts am Samstag

Klaus Mohrs war voll des Lobes. Gemeinsam habe man »ein Bekenntnis für Demokratie und unseren Rechtsstaat geleistet« und »ein starkes Zeichen gesetzt«, sagte der Wolfsburger SPD-Oberbürgermeister. Er bezog sich dabei auf die Proteste gegen Rechts am Samstag: Rund 7000 Nazigegner hatten bei Kundgebungen, mit Blockadeversuchen und auf einem Fest gegen einen Aufmarsch von knapp 600 Neofaschisten in der VW-Stadt demonstriert.

In seine Danksagung bezog der Oberbürgermeister auch die Polizei ein. Er habe »großen Respekt vor den vielen Polizistinnen und Polizisten, die unter den erschwerten Bedingungen für unser aller Sicherheit gesorgt haben«, so Mohrs. Die Polizei war mit rund 3000 Beamten im Einsatz. Sie ermöglichte die Demonstration der Rechtsextremisten auf der vom Verwaltungsgericht genehmigten Route durch das Wolfsburger Industriegebiet – die Stadt hatte den »Tag der deutschen Zukunft« zuvor verboten.

Aus Sicht von Wolfsburgs Polizeichef Hans-Ulrich Podehl war am Samstag alles unter Kontrolle. Schade aber sei, »daß es immer Beteiligte gibt, die die gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei suchen«. Damit meinte Podehl 450 Nazigegner aus der »gewaltgeneigten linksextremen Szene«. Immer wieder hätten Gruppen versucht, sich zu Blockaden zu formieren und auf die Marschstrecke der Rechten zu gelangen. Vereinzelt sei es in der Innenstadt zu Steinwürfen gegen Polizisten gekommen. Elf »Linksextreme« seien kurzzeitig in Gewahrsam genommen und 29 strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Ganz anders hat die Grüne Jugend Göttingen den Samstag in Erinnerung. Sie beklagt massive Polizeigewalt gegen linke Demonstranten. Mehrere Aktivisten seien durch Pfeffersprayeinsatz, Schläge mit Fäusten und Schlagstöcken sowie den Einsatz einer Pferdestaffel verletzt worden. »Mir wurde mehrfach von einem Polizisten mit geballter Faust und gepanzerten Handschuhen mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen«, schilderte ein Mitglied gegenüber jW seine Erlebnisse. Nach Ankunft in Wolfsburg habe die Göttinger Gruppe erst nach 45 Minuten den Zug verlassen dürfen, nur um dann eine weitere Dreiviertelstunde in der Bahnhofsunterführung festgehalten zu werden. »Damit wurde uns der Zugang zu einer angemeldeten Kundgebung bewußt verwehrt, bis wir unter wüsten Schlägen und Tritten auf den Bahnsteig geprügelt wurden.« Friedliche Blockadeversuche seien gewalttätig unterbunden worden. Ein weiterer Betroffener berichtete, er habe »eine volle Ladung Pfefferspray ins Gesicht bekommen, als wir friedlich Solidarität mit eingekesselten Mitgliedern der Gewerkschaft ver.di bekunden wollten«. »Die Ankündigung der neuen Landesregierung, antifaschistisches Engagement zu stärken, wurde gestern ad absurdum geführt«, bilanziert die Grüne Jugend.

Junge Welt, 4. Juni 2013
http://www.jungewelt.de/2013/06-04/035.php